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Daddy Long Legs: Street Sermons (Review)

Artist:

Daddy Long Legs

Daddy Long Legs: Street Sermons
Album:

Street Sermons

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Rhythm'n'Blues, Rock'n'Roll, Punk, Garage Rock

Label: Yep Roc Records/Bertus Musikvertrieb GmbH
Spieldauer: 38:19
Erschienen: 17.03.2023
Website: [Link]

Komm, Baby, rotz ihn heraus, den Rhythm'n'Blues, den Rock'n'Roll und diesen Straßen-Punk, der manchmal nach Hundescheiße, dann wieder nach Harley-Davidson-Abgasen oder süßlichem Parfum duftet.
So oder ähnlich lautet die Aufforderung, welche einem lautstark aus den Boxen entgegenballert, wenn „Street Sermons“ von DADDY LONG LEGS auf dem Plattenteller rotiert.
Noch dazu gibt’s eine, fast alle Songs dominierende und zugleich rasiermesserscharfe Mundharmonika zu hören, gespielt vom singenden Frontmann Brian Hurd. Wie wichtig gerade dieses Instrument für die Musik hinter der amerikanischen Band ist, lässt sich auch am LP-Innencover ablesen, auf dem die Mundharmonika in Kombination mit einem blutigen Rasiermesser dargestellt wird. Hier geht bei dem New Yorker Trio der langbeinigen Väter (Oder sind doch die spinnigen Weberknechte bei diesem Namen gemeint?) gehörig die Post ab und die Harmonica-Power kennt keine Grenzen, sondern entlädt sich sogar eruptiv auf „Harmonica Razor“.

Ähnlich wild und feurig spielte auch ein STEFAN DIESTELMANN, der Blues-König des Ostens, noch zu DDR-Zeiten, als er wie eine Dampflock dieses Blasinstrument in seinem „Reichsbahnblues“ 1978 über seine Debüt-Album brettern ließ.
Und dass dem leidenschaftlichen Ost-Blues-Fan, der fast 40 Jahre lang sein eingemauertes (und musikalisch zensiertes) Dasein in der DDR ertragen musste, gerade diese 2007 viel zu früh verstorbene Blues-Legende bei DADDY LONG LEGS sofort wieder in den Sinn kommt, liegt auch daran, dass tausende von Kilometern entfernt auch die New Yorker auf ihrem Debüt-Album einen (tatsächlich ähnlich klingenden) Zug auf die Reise schickten. Allerdings einen ziemlich tödlichen, der als „Death Train Blues“ für ein endgültiges Tabula Rasa sorgte.
Diestelmann allerdings war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Songs auf „Evil Eye On You“ (2012) schon seit 5 Jahren längst auf diesen Zug aufgesprungen.

Genau diese Dominanz der Mundharmonika macht die Stärke des Albums aus, denn neben dem Blues gibt’s hier jede Menge Rock'n'Roll und sogar lustig Beschwingtes mit dem „Ding-Ding Man“ geboten, bei dem sich Brian Hurd nicht nur mit seinem Gesang sondern auch seinem Instrument dermaßen intensiv einbringt, dass sich Stimme wie Mundharmonika die Anteile jedes Songs fast gleichberechtigt teilen.

Alle, denen der 'geblasene' Blues am Herzen liegt, die werden die „Street Sermons“ nicht nur lieben, sondern vergöttern – auch weil Hurds Stimme durchaus ein gewisses Noddy-Holder-SLADE-Flair verbreitet und manchmal gar auf die GARRY GLITTER-Hooks setzt, wenn mit „Been A Fool Once“ es eben echt glamrockig wird, bis uns nach so viel Druck überrascht, dass „Star“ als flockige Ballade samt einem DR. FEELGOOD-like-Harmonica-Solo die LP-A-Seite abschließt, um uns dann sofort auf der B-Seite gehörig feurig und unerbittlich bluesig mitzuteilen, dass auch wir mal sterben werden.
Oh jeh, was soll diese knallharte Botschaft nur mit uns machen, wo wir doch zuvor bereits den knackigen „Nightmare“ überstanden hatten?

Und wenn wir uns in „Silver Satin“ einkleiden, darf der gute ELVIS wieder aus seinem Grab steigen, während Hurd dazu sogar neben der Mundharmonika auch ein Wolfsheulen anstimmt.

Natürlich sollte man auch den Album-Opener, der zugleich der Platte seinen Titel verlieh, nicht außer Acht lassen, denn bereits hier wird gehörig Dampf vom musikalischen Hochdruckkessel abgelassen, wobei das New Yorker Trio auch textlich die hassgebeutelten Zeitgenossen anflehen, statt sich gegenseitig anzufeinden, endlich doch einen gemeinsamen und friedlichen Nenner zu finden.
Aus diesem Grunde lässt es sich der Frontmann der DADDY LONG LEGS auch nicht nehmen, unmissverständlich klarzustellen: „Wir waren über viele Dinge verärgert, als wir diesen Song schrieben, und eine Sache, die mir auffiel, war, dass es zu dieser Zeit einen echten Mangel an bedeutungsvollen Protestsongs gab, also beschlossen wir, die Dinge in unsere eigenen Hände zu nehmen.“

Und spätestens wenn man die knapp 40 Minuten dieses abwechslungsreichen, fast immer kraftvollen Albums aufmerksam durchgehört hat, wird klar, dass dies nicht nur ein Protest-Song, sondern gleich eine ganze Protest-Platte geworden ist.
Da protestiert man beim Hören nur zu gerne mit!
Nur das Auf-die-Straße-Gehen überlassen wir dann doch wohl besser der jüngeren letzten Generation, denen besonders am Freitag ihre Zukunft extrem wichtig ist...

FAZIT: Mit ihrem vierten Album „Street Sermons“ hauen die New Yorker Rhythm'n'Blues'n'Rock'n'Roll-Straßenjungs DADDY LONG LEGS ein echtes Protest-Album raus, das genau da ansetzt, wo der 'Rolling Stone' schon beim Album-Vorgänger resümierte: „Eine Platte, die von der ersten Note an von Musikern gemacht wurde, die für den Rock'n'Roll leben und sterben.“ Nun gibt’s noch eine fette Portion Blues, bissige Texte und natürlich die unüberhörbare, jederzeit dominante und begeisternde Mundharmonika dazu, die dem ebenfalls richtig guten Sänger Brian Hurd eine Art zweite Stimme verleiht.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1635x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Seite A (18:51):
  • Street Sermon (2:25)
  • Nightmare (3:24)
  • Rockin' My Boogie (3:52)
  • Harmonica Razor (2:01)
  • Been A Fool Once (3:18)
  • Star (3:51)
  • Seite B (19:28):
  • You'll Die Too (3:03)
  • Silver Satin (3:16)
  • Two Dollar Holler (3:10)
  • Ding-Ding Man (2:32)
  • Stop What You're Doin' (3:22)
  • Electro-Motive Blues (4:05)

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